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Architekt BDA

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich, Manfred (Georg) Hantke, Dip.-Ing. (TU) Architekt BDA, bin am 09.10.1934 als Sohn des Elektroingenieurs Georg Viktor Hantke und seiner Ehefrau Hertha, Helene Luzie, geborene Misterek in Berlin geboren. Die Mutter geb. 1910 in Kattowitz / Oberschlesien und der Vater, 18 Jahre früher, 1892 in Ratibor / Oberschlesien. Nach der Hochzeit sind sie 1932 nach Berlin gezogen.

Nach der Geburt von 4 Kindern bekam unsere Mutter das Mutterkreuz von den NAZIS (Nationalsozialisten) verliehen. Ich habe als Geschwister 2 Brüder und eine Schwester; Wieland Armin und Christiane. Sie hatte dem „Führer“ wieder zukünftige Soldaten geschenkt, 1961 habe ich meine Frau Ingrid Hantke, geb. Witting, geboren am 29.10.1932 in Berlin, geheiratet, die als gelernte Erzieherin nach meiner Selbständigkeit als freischaffender Architekt seit 1967 meine Chefsekretärin wurde. Die Ehe blieb nach zwei Eileiter- bzw. Bauchhöhlenschwangerschaften kinderlos.

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Wir beide, d.h. meine Frau und ich, haben den Krieg als Kinder mit allen Grausamkeiten erlebt. Nachdem die Bombenangriffe der Alliierten auf Berlin ständig zunahmen, wurden alle Schulen geschlossen und die Schulkinder evakuiert. Wer es sich leisten konnte, verließ die Stadt und suchte Verwandte im Umfeld oder in der Ferne auf. So verließen auch meine Familie und ich, außer meinem Vater, der im Krieg in Russland war, die Stadt und wir reisten nach Beuthen in Oberschlesien, wo meine Großeltern mütterlicherseits im Schloss wohnten. Mein Großvater starb kurz nach dem 1.Weltkrieg als Folge der im Krieg erlittenen Verletzungen im Jahr 1918. Meine Großmutter Amalie heiratete danach den Obersteiger (Bergbauingenieur) Stanislaus Synowski, Onkel Stani genannt, der Privilegien besaß um im Schloss von Beuthen zu wohnen. Später komme ich nochmals dazu, über das Schloss zu berichten.  Er wurde, als Nationalsozialist und nachdem der Feldzug gegen Polen gewonnen war, Grubendirektor eine Zeche in der Nähe von Krakau. Hier wurde ich bereits mit 9 ½ Jahren als sog. Pimpf in die Hitlerjugend aufgenommen und entsprechend uniformiert, was negative Folgen hatte, zumal ich vom Militär zum Dienst gefahren werden musste, damit mir nichts passiert. Mein Bruder Wieland wurde dort eingeschult. Vielleicht war es schon die Ganzheitsmethode, die dort gelehrt wurde, denn er musste aus dem Schulheft zuerst die Worte durchpausen: „Wir grüßen Heil Hitler“. Wir verließen Polen und zogen zurück nach Deutschland, nach Cosel an der Oder in Oberschlesien. Hier ging ich kurzfristig mal in die Schule, nachdem ich 1940 in Birkenwerder bei Berlin eingeschult wurde und wir, nachdem wir 1942 nach Berlin gezogen sind, ständig zu den Großeltern reisten.

Seit 1932 wohnten meine Eltern in Berlin und mein Vater arbeitete bei Siemens und der AEG als Oberingenieur. Beruflich bedingt zogen wir nach Lemwerder bei Bremen, wo mein Vater bei der Weserflugunion als Flugzeugkonstrukteur arbeitete und wir Libellen fingen, um von der Natur zu lernen, was später auch zur Konstruktion von Hubschraubern führte. Hier wurde  mein Bruder Wieland geboren, der dann später als Schiffsingenieur zur See fuhr. Danach kehrten wir zurück nach Berlin, wohnten aber im Umland, d.h. in Borgsdorf und später in Birkenwerder bei Berlin. Da aber der Krieg 1939 begann und in der Nähe unseres Hauses eine Flakbatterie entstand, die feindliche Flieger abschießen sollte, bevor sie Berlin erreichten, geschah eines Tages, dass in der Nacht ein Flakgeschoss als Blindgänger in der Jauchegrube unseres Nachbarn explodierte und wir, da wir nicht in den Luftschutzkeller gegangen waren und nachdem die Scheiben rausgefallen waren, uns in den Betten mit dem Inhalt in der Jauchegrube abfinden mussten. Danach beschloss mein Vater nach Berlin in die Stockholmer Str. 2 am Gesundbrunnen zu ziehen, weil es in Birkenwerder angeblich zu gefährlich war. Wir kamen vom Regen in die Traufe. Mein Vater hatte aber in Birkenwerder ein Baugrundstück gekauft, selbst ein Einfamilienhaus entworfen, eine Baugenehmigung erhalten, um nach dem Krieg, d.h. nach dem Endsieg der NAZIS dort bauen zu können. Es wurde von uns nach dem Krieg gut genutzt, um in der Hungerzeit dort Obst und Gemüse anzubauen. Von der DDR wurden wir enteignet, haben aber das Grundstück nach der Wende wieder zurückbekommen. Danach habe ich das Grundstück meinen Freund und Kolpingbruder aus Ostberlin, Reiner Schlarmann, verkauft und hier ein Dreifamilienhaus entworfen, was die Großfamilie kurzfristig auch beziehen konnte.

Einfamilienhaus mit 3 Einliegerwohnungen
Lindenhof 8, 16547 Birkenwerder

In Cosel machte man mich bei der HJ (Hitlerjugend) zum Gruppenführer, d.h. ich hatte 10 Pimpfe unter meinem Kommando und wurde auch Luftschutzhelfer. Der Bombenkrieg erreichte ebenfalls Oberschlesien, da dort diverse Rüstungsbetriebe Ziele der Bomben waren. Anfang Januar 1945 erreichten russische Panzerspitzen die Stadt. Es gelang uns, mit Hilfe der Deutschen Armee auf einem LKW die Stadt zu verlassen und in überfüllten Güterwagen nach einer Woche unsere Drei-Zimmerwohnung in Berlin-Gesundbrunnen (Wedding) in der Stockholmer Str. 2 zu erreichen. Die Wohnung, aus den zwanziger Jahren, war modern ausgestattet, mit Einbauküche, Warmwasser und Zentralheizung mit Südwestbalkon und Blick auf die begrünte Panke.


Am 3.2.1945, dem 35. Geburtstag meiner Mutter, waren wir zum Einkauf auf dem Markt in der Travemünder Straße, als am Vormittag bei herrlichem Sonnenschein plötzlich hunderte von alliierten Flugzeugen über uns hinwegflogen, ohne dass ein Alarm ausgelöst wurde. Wir rannten um unser Leben, erreichten rechtzeitig den Keller und harrten dort bis zum Nachmittag aus, bis der Bombenhagel sein Ende nahm. Danach brannte der ganze Wedding und es gab einen Feuersturm. Auch der Geburtstagskuchen war nicht mehr genießbar, denn alle Fensterscheiben waren zersprungen und die Splitter steckten im selbigen. Danach telefonierte meine Mutter mit meinem Vater, der als technischer Offizier im Range eines Hauptmannes nach Prag kommandiert wurde und dort kriegswichtige Aufgaben zu erledigen hatte. Mein Vater, der im ersten Weltkrieg schon als Soldat an der Front war, wurde Anfang des zweiten Weltkriegs als Zivilist nach Russland eingezogen, wo er unter anderem dafür sorgen musste, dass deutsche Bombenflugzeuge sicher auf einem Feldflugplatz starten und landen konnten, um über Leningrad ihre Bomben abwerfen zu können. Später musste er auch Uniform im Range eines technischen Hauptmanns tragen, was mich überaus erfreute, dass, wenn er Urlaub hatte, von allen im Dienstgrad unterlegenen Soldaten gegrüßt werden musste. In Russland wurde er schwer verwundet, als sein Fahrzeug in einen Bombentrichter fuhr, wo das vorausfahrende Fahrzeug einen Volltreffer erhielt und alle Insassen den Tod fanden. Nach dem Auflösen der Deutschen Luftwaffe wurde mein Vater von der OT (Organisation Todt) übernommen, einer Einheit, die für alle kriegstechnischen Angelegenheiten zuständig war. Wir reisten folglich nach Prag. Hier herrschte tiefer Frieden und es gab dort Dinge, die es in Deutschland schon lange nicht mehr gab; nämlich lederne Schulmappen. Aber die Freude an schönen Dingen und auch die Schulzeit in einer deutschen Schule dauerte nicht lange, denn die Deutschfeindlichkeit wie vorher in Polen nahm zu und mein Vater sorgte dafür, dass wir ins Sudetenland reisen konnten, wo ein Kamerad einen leerstehenden Bauernhof besaß, den wir beziehen konnten. Der Ort hieß Sattei und lag in der Nähe der Kreisstadt Dauba. Hier erlebten wir das Kriegsende. Die deutsche Armee war eingekesselt und ergab sich den Russen. Nicht nur für mich brach eine Welt zusammen, denn die deutsche Armee hinterließ einen noch hochmodernen Tross an militärischen Geräten, mit dem wir Jungen auf gefährliche Art noch spielten während die deutschen Soldaten mit weißen Armbinden und Fahnen versuchten, sich zu den Amerikanern, die bis Pilsen kamen, durchzuschlagen. Es ergoss sich auf der Landstraße ein Treck russischer Pferdewagen mit Sowjetsoldaten, die rote Fahnen schwenkten. Ich freute mich, dass der Krieg zu Ende war und sammelte noch Orden und Ehrenzeichen der deutschen Arme, die ich in einer Luftschutzmaskenhülle im Dorfteich versenkte. Die Zeit war vorbei, als wir noch als Kinder die Soldatenlieder sangen wie „Bomben, Bomben, Bomben auf Engeland“ oder „Panzer rollen in Afrika vor“. Was mich im Nachherein noch immer erschreckt, war eine Zeit, dass wir als Pimpfe bei der Hitlerjugend singen mussten:

Es zittern die morschen Knochen,
der Welt vor dem großen Krieg.
Wir haben den Frieden gebrochen
für uns war’s ein großer Sieg
Wir werden weiter marschieren,
bis alles in Scherben fällt,

denn heute gehört uns Deutschland


und morgen die ganze Welt.

 


Unter Tieffliegerbeschuss wurden steckengebliebene Panzer und Lkw‘s geplündert und man glaubte, für die nächsten Jahre wegen gehamsterten Lebensmitteln und Getränke ausgesorgt zu haben. Dann kamen die Russen, vergewaltigten fast alle Frauen, als Kind musste ich, ohne jegliches Verständnis dafür, zusehen; und sie nahmen uns alles wieder weg, was wir gehamstert hatten, zuzüglich der Uhren und dem Schmuck der Frauen. Aber es kam noch schlimmer als die Russen abzogen und tschechische Kommunisten in schwarzen Lederuniformen und roten Sternen auf den Mützen das Kommando übernahmen. Die deutschen Bauern wurden aus ihren Anwesen mit Gewalt vertrieben. Zu dem Zeitpunkt kam mein Vater aus amerikanischer Gefangenschaft aus Pilsen, sah das Elend und handelte sofort. Er stellte einen Treck zusammen, der die Vertriebenen nach Deutschland zurückbringen sollte. Ich führte Buch über noch vorhandene Pferde mit entsprechenden Pferdewagen und nachdem sichergestellt war, dass die Ausreise nach Deutschland gelingen könnte, lief mein Vater in die benachbarte Kreisstadt Dauba zum tschechischen Stadtkommandanten, um die Ausreise genehmigen zu lassen. Hier wurde er sofort verhaftet und wegen seiner kriegsbedingten Tätigkeiten in der Tschechei als Kriegsverbrecher in ein KZ gesperrt. Er wurde geprügelt, man hat ihm die Zähne ausgeschlagen und bei Ausgang musste er mit der Hakenkreuzfahne auf dem Rücken genäht, die Straßen fegen, unter Begleitung von 2 mit Maschinenpistolen bewaffneten Posten.

Meine Mutter, mit 4 kleinen Kindern, ist zum Stadtkommandanten vorgelassen worden und haben ihn auf Knien angefleht, unseren Vater freizulassen. Er hat uns mit der Peitsche mit Gewalt aus dem Raum verwiesen. Ich habe meinen Vater ein letztes Mal gesehen, als ich ihm Essen durch den Stacheldraht seines Gefängnishofes bringen konnte. Da die Ausreise der Flüchtlingstrecks genehmigt war, sagte er mir, dass wir unbedingt mitfahren sollten, er würde versuchen, in Kürze zu fliehen. Seine Flucht misslang. Er wurde dabei totgeschlagen und man hat auch 3 Schüsse auf ihn abgegeben, denn es hieß, er sei auf der Flucht erschossen worden. Nach dem Krieg ist es mir gelungen, die Tochter des Friedhofgärtners ausfindig zu machen, die einen Tschechen geheiratet hat und dort verblieben ist, die mir die Stelle an der Friedhofsmauer gezeigt hat, wo ihr Vater den Ingenieur mit den vier kleinen Kindern zusammen mit zwei getöteten SS-Offizieren beerdigen musste. So wie mein Vater den Krieg nicht überlebt hat, ist es auch dem Vater meiner Frau ergangen. Er wurde als Soldat mit 37 Jahren beim Rückzug der Deutschen aus Frankreich 1944 von Partisanen erschossen. Unser Treck wurde auf der Ausreise mit vielen anderen Trecks zusammengelegt. Teilweise wurden wir in Lager gesperrt ohne Essen und ohne dass wir unsere Notdurft verrichten konnten, bis wir an die deutsche Grenze an der Elbe gelangten. Während des Trecks wurde seitens versprengter Soldaten der Waffen-SS aus den Bergen auf unsere Bewacher auf Pferden geschossen und einer davon tödlich getroffen. Der Treck bekam es danach zu spüren.

Vorher wurden wir, Frauen, Kinder und Greise gefilzt, d.h. unserer letzten Habe beraubt. Dabei ging es nicht zimperlich zu. Wenn Frauen sich weigerten, ihre Ohrringe abzugeben, wurden sie ihnen aus den Ohrläppchen gerissen. Da ich glaubte, meine Wertsachen am Körper nicht richtig versteckt zu haben, in der Nähe ein Toilettengebäude stand dessen Eingang von einem bewaffneten Posten jedoch gesichert war, entschied ich mich, durchs Unterholz zu robben, wie ich es als Pimpf gelernt hatte, um dort die Sachen noch besser zu verstecken. Es ging alles gut. Als ich zurückkam, hatte meine Familie alles verloren und ich alles behalten, was uns in der Nachkriegszeit zu Gute kam. Denn für eine goldene Uhr bekam man auf dem Schwarzmarkt allerlei, dass für das Leben in der Not dem Überleben diente. Im Übrigen musste ich keinen Eid auf den Führer als Pimpf der Hitlerjugend ablegen, denn der Krieg war am 8.5.1945 vorbei und die Vereidigung sollte am 20.4.1945, Hitlers Geburtstag, erfolgen, der sich zu diesem Zeitpunkt schon das Leben genommen hatte. 

Angekommen in Deutschland, endete die Zugfahrt an der Brücke über die Elbe in Dresden. Diese war nur teilweise zerstört aber für Fußgänger wurden Holzbohlen verlegt, jedoch ohne Geländer, wo meine Mutter vor Verzweiflung sich weigerte, den Kinderwagen darüber zu fahren, in dem meine 3-jährige Schwester schlief. Ich nahm ihr die Entscheidung ab und fuhr den Wagen über die Brücke. Wir sahen das kurz davor zerstörte Dresden und kamen nach Tagen am Abend im offenen Güterwagen auf den Gleisen am Bahnhof Tempelhof an, wo heute die Stadtautobahn verläuft. Wir überquerten das Gleis und klingelten an einer Haustür der parallel zur Bahnanlage sich befindenden Wohnanlage. Der erste Mieter öffnete und wir konnten im Flur auf dem Boden übernachten. Am nächsten Morgen fuhren wir mit der S-Bahn, die fuhr, welch Wunder zu der Zeit schon, nach Gesundbrunnen und erreichten unsere Wohnung im Haus Stockholmer Str. 2. Die Überraschung war groß. Die Wohnungen der Häuser Nr. 1 bis Nr. 3 bildeten in jedem Geschoss eine Einheit, denn die Wohnungstrennwände sind bei einem Luftangriff durch eine Luftmiene völlig zerstört worden und alle Fenster waren notdürftig mit Pappe abgedichtet.  Auch die Treppe vom 1. Obergeschoss zum 2. Obergeschoss, wir wohnten im 1. Obergeschoss, war durch eine Panzergranate zerstört worden und die Mieter der Obergeschosse gelangten über eine Holztreppe in ihre Wohnungen. Allein in unserer Wohnung wohnten drei Familien. Unsere Möbel waren noch vorhanden, da man nach Durchsicht des Schriftverkehrs an meinen Vater festgestellt hatte, dass er nicht Mitglied der NSDAP der Nazipartei war. Es hat eine Zeit gedauert, bis wir wieder allein in unserer Wohnung waren und es kam der strenge Winter 1945/1946, wo Tausende in Berlin erfroren oder verhungerten. Während meine Familie, um dem Bombenkrieg und dem Endkampf in Berlin zu entgehen nach Osten, wo unsere Familie herstammte fuhr, reiste die Familie meiner Frau nach Westen. Als man den Geschützdonner der Front an der Oder schon hörte, fuhr sie mit dem Zug, der fuhr auch noch, unter Fliegerbeschuss, nach Konstanz. Hier eroberten die Franzosen friedlich die Stadt, malten den Schwänen blaue und rote Kringel um die Hälse und transportierten alle Toilettenbecken, die sie auftreiben konnten, mit den Fähren über den Bodensee nach Frankreich. Die Flüchtlinge wurden weder von der Familie noch von den Einheimischen freundlich aufgenommen. Und als sie wieder in Berlin-Zehlendorf ankamen, war ihr Haus von einer sogenannten polnischen Gräfin und ihrem Gefolge besetzt. Der neue Vater meiner Frau hatte einen Freund, einen pastoralen Kollegen in der Schweiz.  So konnte meine Frau mit 14 Jahren in die Schweiz reisen, was sie auch gern tat, um der hungernden Familie für ein halbes Jahr ihre Lebensmittelkarte zur Verfügung zu stellen. Hier durfte sie in der Familie mit vier Kindern mithelfen; Aber als sie als Dank ein neues Kleid bekommen sollte, sagte die Näherin: „Für ein deutsches Kind nähe ich kein Kleid!“ So gut es meiner Frau als junges Mädchen in der Schweiz auch hatte, es blieb nicht aus, dass man ihr Bilder von der Befreiung der Häftlinge aus den KZ’s zeigte. Es war ein Schock für sie, zumal wir jungen Menschen damals weder etwas von den KZ’s noch von den darin begangenen Grausamkeiten wussten. Später kam meine Zeit, wo ich beinahe kriminell wurde. Wenn ein Trecker mit Presskohlen in Anhängern vorbeifuhr, kletterte ich hinten auf die Deichsel, warf die Kohlen herunter und meine kleinen Geschwister hoben sie auf. Ich fällte Bäume im Tegeler Forst, riss die Marktstände in der Travemünder Straße ein und fuhr das Holz per Schlitten nach Hause, denn hier hatten wir in zwei Zimmern eiserne Öfen aufgestellt, deren Rauchrohre durch die nicht verglasten Fenster nach draußen geführt wurden. Weihnachten 1945 hatten wir auch einen Weihnachtsbaum, den ich in der Nähe von Oranienburg in einem Wald klaute und ihn mit der S-Bahn nach Hause beförderte. Doch die Zeiten besserten sich für mich, denn meine Mutter, wie schon erwähnt mit 35 Jahren und vier Kindern, hatte einen Mann, Hermann Schlosinski, einen Witwer kennengelernt, der ebenfalls zwei Kinder, einen Sohn Heinz, und eine Tochter Christel hatte, die er mit in die Ehe brachte. Beide Kinder hatten ein schreckliches Schicksal:  Als ihr Haus von Bomben getroffen wurde und die Mutter nochmals ins brennende Haus rannte, um noch Sachen zu retten, wurde sie bei der Rückkehr vor den Augen ihrer Kinder von einem abstürzenden Balken erschlagen. Wie meiner Mutter, die nochmals heiratete, erging es auch meiner Schwiegermutter Elisabeth, die bereits mit 31 Jahren Kriegerwitwe wurde. Sie heiratete den Pastor Heinz Crönert und meine Frau bekam ab dem 16. Lebensjahr noch zwei Geschwister, die Schwester Barbara und den Bruder Matthias. Ingrids Vater war Bauingenieur. Er arbeitete im Berliner Stadthaus und war zuständig beim Bau von Berliner U-Bahn sowie unterirdischen S-Bahnhöfen. Später ging er nach Bayern, wo die Autobahn München-Salzburg gebaut wurde. Für uns hörte die Zeit des Hungerns auf, denn mit Herrmann begann die Zeit des Hamsterns im Umland. Schon am Vorabend mussten wir anstehen, um Fahrkarten für den Zug am nächsten Morgen zu bekommen, obwohl wir niemals in den Zug hineinkamen und stets an den Türen gehangen, auf den Puffern gestanden oder auf dem Dach gesessen haben. Meine Mutter war nach der Hochzeit schwanger und wir vier Kinder bekamen noch einen Halbbruder Michael, zu der beiden zwei Stiefgeschwistern. Er wurde zwar mit Haaren geboren, die jedoch ausfielen, nachdem sich eine Kalkschicht auf seiner Kopfhaut gebildet hatte. Es wuchsen ihm auch keine mehr. Das lag an der von den Sowjets verhängten Blockade gegen Westberlin, in der Zeit als meine Mutter schwanger war und es durch Mangelernährung zu dieser Missbildung kam, wobei die Einnahme einer Überdosis von Kalktabletten auch eine Rolle gespielt haben könnte.

Aber bald begann eine neue Zeit und ich wurde 1946 ins Diesterweg und Gonthard-Gymnasium in der Badstraße in Gesundbrunnen eingeschult. Ich musste eine Prüfung ablegen und in einem Aufsatz darlegen, dass ich mindestens zwei Jahre lang keine Schule besucht habe und mir keiner bisher das Bruchrechnen beigebracht hat. Zu meinen neuen Klassenkameraden gehörten auch ehemalige Flakhelfer, die Geschütze bedienten, um feindliche Flugzeuge abzuschießen. Ihr Mindestalter war 16, ich zählte 12 Lenze. Gutes habe ich von ihnen nicht gelernt. Wenn die Lust zum Lernen fehlte, wurden Stinkbomben geworfen oder eine Tränengasgranate gezündet, was zur Folge hatte, dass die Schule geräumt werden musste. Die Lehrer waren alt oder kriegsversehrt und verloren oft die Nerven. Die Klassenräume waren kalt, da die Glasscheiben in den Fenstern fehlten. Wir Schüler mussten Holz oder Kohlen mitbringen, um die aufgestellten, eisernen Öfen heizen zu können. Sportunterricht fand in der Turnhalle statt, die kein Dach mehr hatte. Außerhalb der Schule gab es Bandenkriege zwischen den Kindern meines Alters. Mit meiner Bande sicherten wir unseren Rückzug bei einer Niederlage durch Werfen von Flaschen oder Glühbirnen, denn wir waren ja alle barfuß.  Gespielt wurde hauptsächlich an und in der Panke. Wenn wir Gewehrmunition vom Grund holten, legten wir sie auf die Schienen der Straßenbahn. Es gab jeweils eine Explosion. Der Fahrer stieg aus, ging um das Fahrzeug herum, ehe er weiterfuhr. Die Polizei machte dem Treiben kurz danach ein Ende. Beim Abrutschen an der Pankeböschung fand ich einen Herrenschuh. Als ich daran zog, hing ein Bein dran und weiter ein ganzer Mensch, der hier begraben war. Es handelte sich um drei Fremdarbeiter, die in den Häusern der Stockholmer Str. 1-3 geplündert hatten und von der SS erschossen wurden. Die Bewohner mussten sie vergraben, aber keiner sprach darüber.    

                                                                              

Ich bin durch diese Umstände zum Rüpel geworden, der die Lehrer ärgerte, wo er nur konnte. Tinte auf dem Türdrücker der Klassentür war ein großer Lacherfolg, wenn sich der Lehrer danach ins Gesicht fasste. Tadel und Stun-denarrest folgten und standen im Klassenbuch. Ich ließ es im Gully verschwinden. Leider hat die Stadtreinigung es rausgefischt und meine arme Mutter stand wieder einmal weinend vor dem Lehrerzimmer und konnte verhindern, dass man mich nicht der Schule verwies. Als meine kleinen Geschwister ebenfalls in die Schule kamen, hieß es: um Himmels willen, schon wieder ein oder eine Hantke. Es ging alles gut oder schlecht bis zum Abschluss der 10. Klasse. Da ich befürchtete, auf Grund meines Verhaltens durch das Abitur zu fliegen, beschloss ich inoffiziell in eine Lehre zu gehen, um einen Beruf zu erlernen. Ich bekam ein gutes Abschlusszeugnis und meldete mich zum weiteren Schulbesuch in der Friedrich-Engels-Schule in Reinickendorf an, wo ich auch genommen wurde. Leider musste ich hierher mit dem Fahrrad fahren, was zu meiner Leidenschaft wurde, auf die ich später noch einmal zurückkommen werde. Der Klassenlehrer, Herr Nicklisch, sagte mir zur Begrüßung: „Dich kann ich nicht leiden“. Ich antwortete: „Das muss wohl auf Gegenseitigkeit beruhen“ und hatte danach 3 sehr schwere Jahre zu bestehen, was auch die Abiturprüfung betraf. Die pädagogische Qualität dieses Lehrers sei dahingestellt. Leider wusste ich zu der Zeit noch nicht, dass es Schülerbogen gab, den er über mich angefordert hatte und somit mein Verhalten als Schüler in der Vergangenheit kannte. Ich wurde in Deutsch, Mathematik und in Englisch geprüft und in Mathematik wollte Herr Nicklisch mich durchfallen lassen, was der Schulrat verhindern konnte.

Auf den nun folgenden Klassenbildern aus meiner Schulzeit auf dem Diesterweg-Gymnasium im Wedding sitze ich als 12jähriger in der untersten Reihe zwischen 2 Lehrern (warum auch?)
 

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Auf dem rechten Bild auf dem Friedrich-Engel-Gymasiumin Reinickendorf, stehe ich in der obersten Reihe als 20jähriger Abiturient als 4. von rechts.

In Mathematik war ich ein durchschnittlich begabter Schüler. Aber in der 13. Klasse gab es die Mathematik der sphärischen Geometrie, wo Raum und Zeit eine Rolle spielten und ich hier der Beste in der Klasse war. Das half mir beim Abitur und stärkte meinen Wunsch, Architekt zu werden. Denn ich konnte ja auch immer gut zeichnen und auch räumlich denken.


Was meine Liebe zum Fahrradfahren betrifft, heute die aktuellste, nach dem Krieg die fast einzige Fortbewegungsart. Aus den Trümmern zerstörter Häuser habe ich mir vom Fahrradrahmen bis zu den Felgen alles zusammengesammelt und zusammengebaut und bin auf einer Vollgummibereifung durch das zerstörte Berlin gefahren. Ich habe das Berliner Stadtschloss aufgesucht, das zwar teilzerstört war, aber in dem immer noch Kunstaustellungen stattfanden, was die Kommunisten aus ideologischen Gründen abreißen ließen. Durch meinen Freund Gerhard Wenzel, der erst Fahrradmechaniker lernte und später auch Ingenieur wurde, war das Problem der späteren Räder mit Gangschaltung etc. gelöst. Wir trainierten Bergtouren auf der Havelchaussee und machten Tagestouren unter anderem bis nach Wittenberge an einem Tag 200 km hin und zurück. Wir fuhren nach West- und nach Süddeutschland auf den Autobahnen im Gegenverkehr über Helmstadt und Hof und wurden bereits damals schon von Volkspolizisten kontrolliert, wobei wir auch manchmal die Luft aus den Reifen rauslassen mussten. Später benötigten wir auch Passierscheine, die von DDR-Behörden ausgestellt wurden. Wir fuhren den Rhein entlang und besuchten die ausgebombten Städte wie Köln, den neuen Bundestag in Bonn und nahmen Teil am ersten internationalen Jugendtreffen auf der Loreley. Später ging die Fahrt nach Süden über München, Innsbruck und den Brenner nach Italien, wo wir uns am Gardasee den ersten Sonnenbrand holten. Auch kletterte ich mit meinem Freund durchs Höllental mit Halbschuhen auf die Zugspitze und erreichten am späten Abend das Gipfelkreuz. Es gab Ärger mit dem Heimleiter des Schneefernerhauses, da es völlig überbelegt war.

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Zu einer längeren Tour während der großen Ferien sind wir zu sechst mit Zelten aufgebrochen. Wieder nach Italien über Florenz, Bologna, Pisa nach Rom mit Papstbesuch in Gandolfo und Weiterfahrt bis nach Neapel. Angekommen sind aber nur noch mein Freund Alfons Rhobeck und ich. Die anderen hatten schlappgemacht und sind früher zurückgekehrt. Besucht haben wir Capri, wo ich auf der Spitze der Fähre die Überfahrt genießen wollte und mir dabei schlecht wurde. Geschlafen haben wir in Jugendherbergen, aber auch im Freien, wo wir unsere Fahrräder mit Ketten an unseren Beinen sicherten. Die Rückfahrt nach Deutschland musste ich allein bewältigen, da mein Freund, schon Student der Pädagogik, noch Zeit hatte und einen anderen Rückweg nahm. Da ich kaum noch was zum Essen hatte, schrieb ich an meine Mutter und bat sie, mir aus der Verlegenheit zu helfen und mir Geld postlagernd nach Garmisch-Partenkirchen zu schicken. Nachdem ich Rom passiert hatte, kam ich auf die Idee, mich als Rompilger auszugeben und Hilfe in Klöstern zu suchen. Das klappte vorzüglich. Ich bekam Abendessen, ein Bett in einer Kammer, sowie Frühstück und bat den Abt des Klosters, mir eine schriftliche Empfehlung für das nächste Kloster auf meiner Route mitzugeben, was immer vorzüglich klappte. Bis ich in Garmisch-Partenkirchen ankam und feststellen musste, dass Sonntag und somit die Post auch geschlossen war. In meiner Not ging ich zum Pfarrer des Ortes und trug der Haushälterin meine Geschichte vor und hörte, wie der Pfarrer sagte: “Geben sie dem Bettler 50 Pfennige”. Das empörte mich so, dass ich die 50 Pfennige in den nächsten Zigarettenautomaten steckte und mir eine Zigarette aus der Schachtel P4 unter den Augen des Pfarrers, der am Balkon stand, anzündete. Am Abend schaute ich einem Tennisspiel zu und machte es mir gemütlich auf einer Parkbank. Ich kam jedoch nicht zur Ruhe und wurde von der Polizei wegen Landstreicherei verhaftet und in eine Zelle gesperrt. Hier hatte ich nun mein Bett zum Schlafen und am nächsten Morgen ging ein Polizist mit mir zur Post, wo auch das Geld angekommen war. Man teilte mit mir das Frühstück, wünschte mir gute Weiterfahrt und ich setzte meine Reise nach Berlin fort. Angekommen in der Schule gab es wieder Ärger mit meinem Klassenlehrer, denn ich hatte die großen Ferien um eine Woche überschritten. Noch eine Anekdote aus meiner Schulzeit. Nach der 12. Klasse entfiel der Lateinunterricht und es kam zur Prüfung für das Abitur. Ich war kein guter Schüler in Latein, hatte eine sogenannte Klatsche und schrieb die deutschen Texte in das Lateinbuch über die Lateintexte. Leider übersetzte ich beim Vorlesen zu zügig, so dass Atze Hausig, so nannten wir den Professor, misstrauisch wurde und mich aufforderte, ihm das Buch zu zeigen. Er erkannte den Schwindel, brüllte mich an: “Sie Lümmel setzen sie sich hin und radieren es aus“. Ich tat so, als würde ich es tun, wischte und pustete und fragte: „Wollen sie das Buch jetzt sehen“? Als er verneinte, stotterte ich die Übersetzung so gekonnt, dass es noch zu einer guten Note führte. Die Musikprüfung überstand ich auch, obwohl ich keine Noten lesen konnte, aber im Schulchor gesungen hatte. Der Musiklehrer spielte am Klavier mir Passagen vor und ich sollte sagen, ob es „Dur“ oder „Moll“ war. Ein Schulkamerad, der Klavier spielte und in der 1. Reihe saß, zeigte mir mittels seines Daumens das richtige Ergebnis an, denn bei „Dur“ war der Daumen hoch.   

Durch meine Reisen, durch die zerbombten deutschen Städte und die Besichtigung der Klassik der Antike in Italien, ließen den Wunsch in mir reifen, Architekt zu werden, um Ruinen wieder aufzubauen und Neues zu schaffen. Nach meinem bestandenem Abitur 1954, eine gute Benotung war für jeden Studiengang seinerzeit nicht vonnöten und einem Baupraktikum von einem halben Jahr, fing ich 1955 mit dem Studium an. Ich hatte schon vor dem Abitur auf dem Bau als Hilfsarbeiter gearbeitet und im Baupraktikum bereits als Maurer oder Zimmermann Facharbeiten ausführen können. Der Firmenchef der Fa. Oertel zahlte mir Facharbeiterlohn und bestätigte mir das obligatorische Praktikum von einem halben Jahr zwecks Zulassung zum Studium.  Am Anfang des Studiums hatte ich so meine Bedenken, ob ich es schaffen kann, denn als erstes belegte ich die Fachrichtung Mathematik. Die erste Vorlesung reichte mir. Es fing an mit 1+1=2 und endete bereits mit der höheren Integralrechnung. Erst als mir ein Kommilitone erklärte, dass in Fachrichtung Architektur nur Statik als Pflichtfach ansteht, war ich somit zufrieden. Bei der 1. Vorlesung „Entwurf“ bei Prof. Bressler zählten wir, d.h. der Freund Wolfgang Krawczynski, getrennt die „Äh’s“, die stets seinen Vortrag unterbrachen und kamen immer auf das gleiche Ergebnis. Die Freundschaft, die auch zu einer Partnerschaft in einem gemeinsamen Architekturbüro über einen Zeitraum von 3 Jahren andauerte, hielt bis zu seinem Tode. 1956, ich war im 2. Semester, fand wieder die größte Faschingsfete in Berlin in der Hochschule der Künste (Später Universität) mit dem Namen „Schräger Zinnober“ in allen Räumen 5 Tage und 5 Nächte lang statt. Hier traf ich auf meine künftige Frau, damals Fräulein Ingrid Witting, mit der ich bis zum frühen Morgen tanzte, sie danach mit der Bahn nach Hause, in die Ritterhufen 12, einem Einfamilienhaus in Zehlendorf, in dem sie mit ihrer Familie wohnte. Ich wartete draußen vor der Tür bei Schnee und Eiseskälte von -10°C bis sie sich fertiggemacht hatte, um sie in ihren Kindergarten zu begleiten, in dem sie tätig war. Ich fuhr nach Hause, in die Stockholmer Str. 2, versuchte nüchtern zu werden um danach in die benachbarte, neben der HDK liegende TU zu gelangen, um dort eine Englischprüfung, unter anderem über Charles Dickens, erfolgreich abzulegen, was mir insofern eine Genugtuung brachte, dass ich beim Abitur unge- recht benotet wurde.  Als Universität mussten alle Studenten seinerzeit eine humanistische Prüfung in 4 Fächern ablegen, bevor sie zum Vordiplom zugelassen wurden. Das Studium machte mir Spaß und das Studentenleben auch. Es kam das Vordiplom und die zeichnerische Aufgabe bestand darin, einen Fußgängertunnel zwischen dem Hauptgebäude der TU an der Straße des 17. Juni zum Erweiterungsgebäude auf der anderen Seite zu planen. Ich hatte danach das Gefühl, die Aufgabe gut gelöst zu haben, aber an der Tür des Büros der Architekturfakultät stand das schriftliche Ergebnis fest „Hantke, Krawczynski und Meier durchgefallen“.  An dem Tag saßen wir, die Durchgefallenen, bei NORA, einer Gaststätte, in der Knesebeckstraße und haben uns besoffen. Danach bin ich zu Fuß nach Hause gelaufen, nahm es hin und genoss einen schönen Badeurlaub in Berlin, da ich an der Tatsache, so glaubte ich, doch nichts ändern konnte. Weit gefehlt! Ich traf einen Kommilitonen, der mir sagte, dass wir beide morgen unsere erste Prüfung, ich weiß nicht mehr genau welche, haben. Ich ging in alle Prüfungen hinein und habe, sie alle bestanden, ohne jemals dafür gelernt zu haben. Was fehlte war die Entschuldigung des Sekretariats, die mich mit dem Kommilitonen Hantik verwechselt hatte, der aber wusste, nachdem ich ihn später gesprochen hatte, dass er durchgefallen war. Bevor ich 1962 mein Diplom in der Tasche hatte, heiratete ich im Herbst 1961 meine Ingrid, erst standesamtlich und dann katholisch-kirchlich in St. Petrus in Wedding. Gefeiert wurde in einer Villa am Großen Wannsee mit ca. 50 Gästen. Bezahlt hatte die Feier, bzw. mir das Geld geborgt, mein drei Jahre jüngerer Bruder Wieland, der als Schiffsingenieur und schon als Chief bei der Hapag große Kähne fuhr. Den gleichen Beruf wählte auch der jüngere Bruder Bernd meiner Frau. Er fuhr bei der Reederei Schlumberger. Es ist schon witzig, dass Berliner Landratten Seefahrer wurden.

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Groß gefeiert wurden bei uns unsere besonderen Geburtstage alle fünf Jahre, bisher bis zum 85. Lebensjahr mit teilweise bis zu 100 Personen. Wir feierten z.B. in Bad Helmstedt, nach der Wende in Kühlungsborn, auf Schloss Gusow, auf der Burg Stargard oder in Hotels in Berlin und im Umland sowie auf Schiffen der Berliner Reedereien. Aber zurück nochmals zu meiner Studienzeit. Ich habe 12 Semester studiert. Es war die obligatorische Studienzeit. Als Kriegshalbweise war ich von den Studiengebühren befreit, musste aber jedes Semester Fleißtestate vorlegen. Ich habe viel über die TUSMA gearbeitet, das hieß „Telefoniere! Und Studenten Machen Alles“. Manchmal war ich Möbelpacker oder Transporthelfer, fuhr bei der Kindl-Brauerei Bier aus und schleppte Bierkästen oft in den vierten Stock der Wohnhäuser. Trinkgeld gab es öfter, wenn ich vom Supermarkt mit dem Lastenfahrrad den Kunden ihre Einkäufe in die Wohnungen brachte. Ich arbeitete während der Semesterferien auch oft bei meiner alten Baufirma Oertel, wo ich im Tiefbau als Bauleiter fungierte und manchmal auch statische Berechnungen für Kabelschachtabdeckungen auf den Straßen für die Post erledigen musste, bevor sie aus Beton erstellt und danach verlegt wurden. Höhepunkt meiner praktischen Erfahrungen war der Studioausbau im Rundfunkgebäude des SFB in der Masurenallee. Hier hatte ich ca. 30 Facharbeiter, die ich koordinieren, die Arbeiten dokumentieren und auch abrechnen musste. Der Chef der Fa. Becker, Herr Heuer, ein schon etwas betagter Mann, wünschte, dass ich die Baufirma übernehme und in seinem Sinn weiterführen sollte. Ich war jedoch vernünftig und studierte weiter. Politisch war die Zeit brisant, die DDR riegelte sich ab und der Bau der Mauer quer durch Berlin bahnte sich an. Meine künftige Frau Ingrid wohnte in Zehlendorf und ich am Gesundbrunnen. Die S-Bahn fuhr seinerzeit noch durchgängig von Potsdam bis Oranienburg. Westberliner durften jedoch nicht in die DDR fahren, denn am Bahnhof Frohnau war Schluss und die offizielle Ansage lautete: „Letzter Bahnhof in Westberlin, bitte alle aussteigen.“ Ich war eingeschlafen und wurde von der Volkspolizei unsanft geweckt, der Stasi übergeben und befragt. In der mir weggenommenen Brieftasche fanden sie u.a. die Legitimation, dass ich das Gebäude des Senders Freies Berlin betreten durfte, Flugticket nach Köln zum Treffen führender Mitglieder des Kolpingwerks für den folgenden Tag in Köln und Fotos meines letzten Treffens mit Schulkameraden, die nach dem Abitur zur Bundeswehr gegangen sind und in einem Fliegerhorst in Niedersachsen stationiert waren. Wir feierten fröhlich und ich hatte plötzlich auf Fotos eine Offiziersmütze auf dem Kopf, was dazu führte, mich über militärische Dinge auszufragen, von denen ich keine Ahnung hatte.  Ich musste etwas unterschreiben, sollte mich am nächsten Tag mit einem Politoffizier am Alexanderplatz treffen, informierte die Berliner Polizei und ignorierte natürlich das verabredete Treffen. Danach hatte ich bei jedem Grenzübergang Angst, dass man mich verhaftet. Aber es ging alles gut. Nach dem Diplom 1962 an der TU-Berlin habe ich bei den Berliner Architekten Heinz Ostmann, Norman Braun, Hans Schaefers und zuletzt bei Carl Rockenfeld aus Lampertheim als Bürochef mit 20 Mitarbeitern an der Planung von Abschreibungsobjekten Kurfürstendamm 101, 110, 11 und 146/147 mitgewirkt.  

Modell der Bebauung Kurfürstendamm 101/ Ecke Joachim-Friedrich-Str.
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Nun aber endlich zum Umstand, dass ich mich selbstständig machen konnte und als freischaffender Architekt nahezu 50 Jahren in Berlin, im Bundesgebiet und später auch noch in der ehemaligen DDR beruflich tätig werden konnte. Das verdankte ich einem schmerzlichen Vorfall, den ich nie vergessen werde. Mein damaliger Chef, der Architekt Rockenfeld, überließ mir alle Entscheidungen, die sein Büro in Berlin betrafen. Ich fuhr einen Dienstwagen und konnte mir Urlaub leisten, da ich meine Mitarbeiter so weit im Griff hatte, mich in der Zeit auch zu vertreten. Herr Rockenfeld kam uns Freitagabend besuchen, brachte manchmal Freunde mit und ich war derjenige, der die Herren aus Westdeutschland bespaßen musste. Wir kannten jede Bar und fast jede Barfrau persönlich. Sie oder er waren zufrieden, am Samstag oder Sonntag nach Hause wieder zurückzukehren, aber meine Ehe stand auf dem Spiel. Dank meiner großartigen Frau wurde alles wieder gut, denn an einem Montag erschien Herr Rockenfeld im Büro, rief mich und alle Mitarbeiter zusammen und erklärte mir, dass ich auf der Stelle fristlos gekündigt bin, meine Sachen zusammen packen sollte um sofort das Büro, am Kurfürstendamm 62 zu verlassen, ohne eine Begründung dafür zu geben. Ich und meine Mitarbeiter waren schockiert. Da ich vorher gute Mitarbeiter ins Büro geholt hatte, ging das Baugeschehen auch ohne mich weiter, war aber letzten Endes nicht von Erfolg gekrönt, da nicht alle Bauvorhaben realisiert wurden. Wie sich kurz darauf herausstellte, dass die fristlose Kündigung darauf beruhte, dass Herr Rockenfeld glaubte, mich an seine Bauherren, sprich Auftraggeber herangemacht zu haben, um seinen Part zu übernehmen, benötigte ich einen Anwalt, um aufzuklären und zu widersprechen, bzw.  meine Interessen wahrzunehmen. Seine Auftragnehmer waren honorige Persönlichkeiten (u.a. Fürst zu Erbach Schönberg), die, um Steuern zu sparen, sich von den Berliner Abschreibungsmöglichkeiten überzeugen ließen. Gegen diese Machenschaften wurde viel veröffentlicht, wobei meine Meinung dazu auch zitiert und in einem Buch veröffentlicht wurde. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass ich dabei Rechtsanwalt Horst Mahler persönlich kennengelernt hatte, der mit mir oft zusammen nach Frankfurt flog, wo ich die neuesten Modelle der Bebauungen vorstellen musste. Horst Mahler war seinerzeit linker Protestierer gegen den Kapitalismus, der jedoch bis vor kurzem noch als krimineller Rechtsextremist im Gefängnis saß. Mein damaliger Anwalt, Herr Leidgens, war Fachanwalt für das Arbeitsrecht, zitierte zwei der Bauherren des Herrn Rockenfeld u.a. einen Henn Günther, vors Gericht, wo diese erklärten, dass ich sie niemals darauf angesprochen habe, für sie als Architekt tätig zu werden. Rockenfeld verlor den Prozess und musste mir für fast zwei Jahre nachträglich mein Gehalt zahlen. Nach Erhalt des Geldes kündigte ich meine Arbeitslosenunterstützung, die ich kurzfristig in Anspruch nehmen musste, denn Herr Rechtsanwalt Leidgens beauftragte mich, sein Einfamilienhaus im Hartmannsweilerweg in Zehlendorf umzubauen, was auch gut gelang – danach ging es weiter aufwärts. Da ich als Kolpingbruder dem Kolpingwerk nunmehr 66 Jahre angehöre, seinerzeit ein Kolpinghaus in der Methfesselstraße in Kreuzberg entstehen sollte, war klar, dass ich in das Projekt eingebunden wurde, obwohl ich nicht der Entwurfsarchitekt war. Ich war Baubetreuer, heute Projektentwickler, für ein Haus mit 180 Bettplätzen für Auszubildende, öffentlicher Gastronomie mit Kegelbahn, diversen Schulungsräumen, einem Schwimmbad und einem Versammlungsraum für 200 Personen. Da die Einbaumöbel alle aus Ostberlin kamen mit und von Ostberliner Tischlern eingebaut wurden, über die Firma Möbel Hübner geschäftlich organisiert, fragte ich Herrn Türklitz, ob es möglich wäre, die Möbel, in Eichwalde, wo sie gefertigt wurden, abzunehmen. Es war kurz nach dem Mauerbau und Westberlinern war es lange Zeit verwehrt Ostberlin zu besuchen, bis es zu der Besuchervereinbarung kam. Man machte hier eine Ausnahme. Meine Frau, der künftige Heimleiter des Hauses und ich waren Staatsgäste der DDR, hatten einen Architekten als Führer, der uns in meinem Auto nach Eichwalde brachte, uns auf den Fernsehturm und mit uns zusammen ins Ermelerhaus, wo wir speisten, begleitete. In der Zeit wurden Freundschaften mit ehemaligen Ostberlinern geschlossen, die bis zum heutigen Tag anhalten. Johannes Jackel war ein guter Entwurfsarchitekt, hatte aber Probleme in konstruktiven Dingen beim Detail und bei der Finanzierung. Er genoss das Ansehen im Erzbischöflichen Ordinariat und entwarf einige katholische Kirchen in Berlin.

Eine Kirche "Brüder Klaus" ästhetisch gut gelungen, musste wegen konstruktiver Mängel, kurz danach wieder abgerissen werden. Der Entwurf des Kolpinghauses war sowohl im gestalterischen als auch in funktioneller Sicht, bis auf eine Ausnahme, gut gelungen. Es gab ein großes Parkdeck und eine Tiefgarage, einen Pförtnereingang, eine große Küche mit großem Speisesaal, auch für die Öffentlichkeit, einen Mehrzwecksaal für 200 Personen, mehrere Konferenzräume, 2 Wohnungen, eine für den Heimleiter und eine für den Hausmeister, eine Schwimmhalle, diverse Sport- und Fitnessräume, eine Kegelbahn und eine wunderschöne Kapelle zum stillen Gedenken und zu heiligen Messen. Die 180 Zimmer für Auszubildende waren extrem gut ausgestattet und standen unter Vertrag mit der Fa. Siemens, die hier ihre Lehrlinge herschickte. Der große Nachteil des Entwurfs war, daß die Zimmer alle Waschbecken hatten, aber Duschen und WC´s zentral am Mittelkern des Hauses, am Treppenhaus angeordnet waren. Als ich dort mit meiner Arbeit begann, war es zu spät, noch solche Änderungen durchzuführen, da die Baugenehmigung vorlag und die Finanzierung gesichert war. Anfangs ging alles gut, bis sich herausstellte, daß es Probleme mit der Finanzierung gab. Statt der veranschlagten 6 Millionen waren es nunmehr 8 Millionen DM die gebraucht wurden. In meiner Not wandte ich mich an das bischöfliche Ordinariat in Berlin und bat um eine Bürgschaft für die 2 fehlenden Millionen die auch genehmigt wurden. Es ging somit auch jahrelang weiter und das Kolpinghaus in Berlin war eine gute Adresse. Zwischenzeitlich wurde ich auch Mitglied im Trägerverein des "Kolpinghaus Berlin e.V.". Aber nachdem Siemens den Vertrag der Unterkunft ihrer Lehrlinge im Haus gekündigt hatte, ging es finanziell bergab und das bischöfliche Ordinariat unter Leitung des Domvikars Dr. Tobai zog die Bürgschaft zurück und kaufte das Kolpinghaus für einen Kaufpreis von 800.000 DM, um dort die katholische Akademie unterzubringen, was aber misslang, um es danach für 10 Millionen an einen Investor zu verkaufen der sein Geld damit verdiente, indem er das alte Inventar herausriss, in allen Räumen Betten aufstellte,, um Flüchtlingen aus dem Balkan Unterkunft zu bieten. Als das Geschäft vorbei war, wurde das Haus an die Türkische Gemeinde verkauft, die dort ein Altersheim für ältere türkische Mitbewohner betreibt, die in Deutschland ihr Alter verbringen wollen.

Anlässlich der feierlichen Inbetriebnahme des neuen Kolpinghauses überreichte der seinerzeitige Diözesanpräses der Berliner Kolpingwerks Pater Bernward Brenninkmeyer SJ für das gute Gelingen des Bauwerks mir die silberne Ehrennadel des internationalen Kolpingwerks, obwohl ich für meine Tätigkeit mit 1.000,- DM monatlich vergütet wurde.

 

Kolpinghaus

Methfesselstr. 43, Berlin-Kreuzberg

Es war kurz nach dem Mauerbau und Westberlinern war es lange Zeit verwehrt, Ostberlin zu besuchen, bis es zu der Besuchervereinbarung kam. Man machte hier eine Ausnahme. Meine Frau, der künftige Heimleiter des Hauses und ich waren Staatsgäste der DDR, hatten einen Architekten als Führer, der in meinem Auto uns nach Eichwalde brachte, uns auf den Fernsehturm und mit uns zusammen im Ermelerhaus, wo wir speisten, begleitete. In der Zeit wurden Freundschaften mit ehemaligen Ostberlinern geschlossen, die bis zum heutigen Tag noch anhalten.

 

Es ging mit diversen Aufträgen für mich weiter und schon 10 Jahre nach meinem Examen konnte ich 1972 in mein eigenes Haus in der Tellheimstraße 15 a in Nikolassee einziehen, das ich ohne Bauhauptgewerbe mit meiner Frau und diversen Freunden innerhalb eines Jahres errichten konnte.

Dabei  habe ich meinen Entwurf mit dem Grundstück von meinem Bauherren zurückgekauft, der aus familiären Gründen plötzlich nach Bayern ziehen mußte.

Tellheimstraße 15 a Nikolassee

Vorher wohnten wir 11 Jahre lang in einer Neubauwohnung mit 3 Zimmern in Zehlendorf Süd in der Andréezeile 33, die wir am 13.8.1961, dem Tag des Mauerbaus in Berlin, bezogen haben. Sie wurde vom evangelischen Hilfswerk errichtet. Da meine Frau als Kindergärtnerin auch in einem christlich geführten Kindergarten tätig war, hatten wir das große Glück, in der wohnungstechnisch schwierigen Zeit das große Los gezogen zu haben. Nach dem Umzug in die Tellheimstraße hatte ich nunmehr mein Architekturbüro im Haus, musste jedoch kurz nach der Wende ein neues Büro suchen, da für die Anzahl neuer Mitarbeiter nicht mehr der erforderliche Platz in meinem Haus zur Verfügung stand. Ich zog somit 1995 in mein Zweitbüro nach Kleinmachnow „An der Schneise 7A“. 15 Jahre wurde dort bei einem vielfältigen Aufgabenbereich hart gearbeitet, aber was mich betrifft, dabei nichts verdient; so dass ich 2010 meine Mitarbeiter schweren Herzens entlassen, mein Büro, d.h. die Akten der Bauvorhaben in einem 5 cbm großen Container entsorgt habe und mich mit einem Verlust von ca. 600.000,— € wieder in mein Büro in der Tellheimstr. 15a zurückziehen musste. Wie kam es zu diesem enormen Verlust, nach dem ich bereits auf dem Höhepunkt meiner Karriere bei einem Bauherrn, dem Rechtsanwalt Dr. Wenninger aus München, nach zehn errichteten Mehrfamilien-Wohnungsbauten im sozialen Wohnungsbau mit 800.000,- DM geplatzte Wechsel baden ging, ich es dennoch überlebte. Aber es kam bereits vorher schon zu finanziellen Verlusten meinerseits. Von Dr. Günther Wenninger, mit dem ich befreundet war, wurde ich überredet, mich auch an seinem Ölgeschäft in den USA mit 150.000,— DM finanziell zu beteiligen. Ich hatte noch Vertrauen zu ihm, denn es gelangten ihm, gute Geschäfte, die so kaum zu erwarten waren. Aber er unterschätzte die im Geschäft versierten, kriminellen Amerikaner. Als er mit den Bohrungen für die Förderung begann, musste er feststellen, dass kein Öl mehr vorhanden war, denn die Nachbarn hatten durch seitliche Bohrungen das Öl bereits abgesaugt. Kurz nochmal zur Person des Rechtsanwaltes Dr. Günther Wenninger, er stammte aus reichem Hause, die Papierfabrik „Gorsmühle“ gehörte der Familie. In Indonesien wollte er Wälder aufkaufen und mit eigener Papierfabrikation dort preiswerter in den Weltmarkt eingreifen. Er suchte sich jedoch die falschen Leute aus. Denn als auch ich sie kennenlernte, warnte ich ihn vor ihnen. Er investierte ein Vermögen und verlor alles, auch sein Haus, seine Frau und seine 3 Kinder. Er verließ München mit unbekanntem Ziel, verlor kurzzeitig den Verstand und soll nun in Italien ein neues Leben angefangen haben. Obwohl ich durch ihn viel Geld verloren hatte, machte ich es durch viele Aufträge wieder wett, denn ich konnte in einem Jahr fünf Richtfeste feiern und musste aber danach an das Finanzamt 1 Mio. DM an Steuern nachzahlen, was sich in den Jahren danach doch etwas relativierte.

 

Nach dem Verlust des Kolpinghauses in der Methfesselstraße, das Objekt ging an das Bischöfliche Ordinariat, da dort die Bürgschaft für 2 Mio. DM zurückgezogen wurde, zumal das Bauprojekt unterfinanziert war und die Baukosten von 6 Mio. DM auf 8 Mio. DM stiegen. Wie mir bekannt ist, hat Ordinariat das Objekt danach für mindestens 10 Mio. DM weiterverkauft und dient nun als Altenheim für türkische Mitbewohner.

Ein Sprichwort lautet: „Die Hälfte seines Lebens arbeitet der Architekt vergebens“. Vor der Wende plante ich eine Feriensiedlung mit 60 Häusern in der Nähe von Lüchow / Dannenberg für Westberliner zur Naherholung. Es wurde von Hamburger Architekten realisiert, die dichter dran waren. Nach der Wende plante ich eine Marina in Ketzin. Für das Berliner Kolpingwerk plante ich den Umbau und die Sanierung eines großen Bauernhofes mit Wohnhaus, Stallungen, Scheune und einer Gaststätte mit Festsaal für 200 Besucher in Zootzen bei Fürstenberg. Hier sollten Familien Urlaub machen, auf einem großen Grundstück mit Streuobstwiese und Wasseranschluss an der Havel. In diesem Zusammenhang sollte dort auch ein Kulturzentrum entstehen. Für das Kolpingbildungswerk Sachsen plante ich in diversen Städten der ehemaligen DDR, z.B. in Greifswald, Eberswalde und Freienwalde, den Umbau und die Sanierung von Plattenbauten. Kasernen der russischen Armee wurden meinerseits vermessen, um sie saniert so wieder bewohnbarer zu machen. In der Schorfheide nähe Zehdenick sollte eine Schießsportanlage mit einem Schützenhaus entstehen. Übrigens meldete das Kolping-Bildungswerk in Sachsen Konkurs an, bevor es zu einer Realisierung der diversen Bauaufgaben kommen konnte und ich meine Honorarrechnung stellen konnte.

Ich trauere auch einem großen Projekt nach, nämlich dem Flughafen Tempelhof. Im Hangar 7 fanden große Events statt, die stadtbekannt waren. Der Veranstalter wollte vergrößern und den Hangar 8 dazu nehmen. Probleme gab es bei der Trennwand zwischen den beiden Hangars, die mobil aber auch feuerbeständig auszuführen gewesen wären, bei den neuen Zugänglichkeiten und Fluchtwegen, sowie dem Heizungs- und Sanitärkonzept. Alles konnte meinerseits gelöst werden, zumal die bauaufsichtliche Genehmigung vorlag, der Flughafen jedoch nach dem Volksentscheid geschlossen werden musste. Mein Hauptproblem, bzw. mein größter Wunsch war, dass in Berlin wieder ein Kolpinghaus gebaut wird. Der Zufall kam mir zu Hilfe, denn ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass es vor dem Krieg immer schon ein Kolpinghaus in der Mühlenstr. 61 in Friedrichshain gab, das kriegszerstört war, die Ruine von der DDR abgerissen wurde, um freies Schussfeld direkt an der Spree an der Grenze zu Westberlin, dem Bezirk Kreuzberg zu schaffen. Nach monatlichen Recherchen gelang mir der Nachweis, dass das Grundstück wirklich dem Kolpingwerk gehörte und nicht dem Bischöflichen Ordinariat.                 

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Auf dem Grundstück befand sich in fünfgeschossiger Bauweise ein Vorderhaus, zwei Seitenflügel und ein Quergebäude mit einem Restaurant im Erdgeschoss mit Aussichts-Terrasse am Spreeufer. Zu dem Zeitpunkt gab es bereits einen städtebaulichen Rahmenplan nach einem Wettbewerb, den die Architekten Hemprich und Tophoff gewonnen hatten. Ich plante direkt am Rummelsburger Platz für die Grundstücke Mühlenstr. 61-63 eine Bebauung mit einem 12- geschossigen Hochhaus und einem 2- geschossigen Verbindungstrakt zu einem sich anschließenden 8- geschossigen, 80m langen Baukörper, dessen Giebel auf dem Grundstück Nr. 61 endete, mit direktem Blick auf die Oberbaumbrücke. So wie dieser Gebäudekomplex, standen die sich anschließenden, einzelnen geplanten Baukörper alle hinter der Hinterlandmauer, von 1,3 km Länge, der sogenannten East-Side-Gallery, die nach der Wende von Künstlern bemalt zu einem der bedeutendsten Kunstwerke der Stadt wurde. Nachdem ich die Eigentümer der Nachbargrundstücke Mühlenstr. 62, die Haniel-Handelsgesellschaft und Mühlenstr. 63, die Nicolaischen Erben ausfindig gemacht hatte, machte ich mich an die Planung für ein Wohnraumkomplex, einen Bürotrakt, einem Hotel und dem Kolpinghaus, auf dem Grundstück Mühlenstr. 61, unterkellert mit zwei Tiefgaragen. Alle Grundstückseigentümer, die ihre Grundstücke zurückkaufen wollten, mussten jedoch an den Staat, die OFD 25% des Verkehrswerts der Grundstücke zahlen, so wie es das Mauergrundstücksgesetz vorsah. Da durch die vorhandene Planung, die auch Durchbrüche durch die Mauer und einen großen Durchbruch für die wieder aufzubauende Brommybrücke vorsah, zwischenzeitlich gab es auch schon einen positiven städtebaulichen Vorbescheid, schnellte der Verkehrswert der Grundstücke in die Höhe. Da die Grundstückseigentümer 25% des Verkehrswerts nach dem Mauergrundstücksgesetz an den Staat abzuliefern hatten, protestierten die Eigentümer gegen die Höhe des Verkaufswerts und führten mit der Juristin Prof. Dr. Harms-Ziegler einen jahrelangen Prozess, den sie zwar gewannen, aber mir das Projekt dadurch eigentlich kaputt machten. Meine Bebauung wurde seitens der Behörde in einem Bebauungsplan festgeschrieben, der das Bebauungsrecht regelt, wobei die seinerzeit in der Vorplanung vorgesehenen Einzelhäuser entfielen. Dafür kassierte der ehemalige Baustadtrat von Kreuzberg / Friedrichshain, Dr. Schulz, von den Eigentümern erhebliche Summen ein, um die Grundstückseigentümer an der Mühlenstraße, die kein Baurecht bekamen, zu entschädigen. Meine Planung für das Bauobjekt mit geplanten Baukosten in Höhe von 65 Mio.€ sollte für mich nach seiner Fertigstellung der Höhepunkt meiner Karriere werden, denn es war ein bautechnisch schwieriges Objekt, mit Wasserhaltung direkt neben der Spree mit zwei Tiefgeschossen. Was ich vorab befürchtet hatte, es gab weder mit dem Berliner Kolpingvorstand, den Vertretern des Verbandes in Köln, noch im Berliner Kolpingwerk dem ich angehörte, eine Einigung zum Bau des neuen Kolpinghauses an dieser exponierten Stelle. Die bei dem Geschäft verbliebenen 1,2 Mio. €  flossen meines Wissens vorab in die Sanierung des Internationalen Kolpinghauses in Köln und später in eine Stiftung. Ich selbst war einmal 1. Vorsitzender des Kolpingwerks in West-Berlin mit ca. 1200 Mitgliedern und gehörte 15 Jahre dem Diözesanvorstand an, wobei ich zuletzt das Referat „Kultur und Freizeit“ leitete.

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Seinerzeit habe ich den Entwurf für das Plakat für den Festakt "125 Jahre Kolpingwerk Berlin" entworfen, der bildlich die Wiedervereinigung Berlins vorwegnahm

Da danach nicht alle drei Eigentümer an einen von mir vorgesehenen Investor verkauften, gab es Probleme, den meinerseits erarbeiteten Entwurf zu verwirklichen und es wurde ohne mich neu geplant und gebaut. Ich habe danach noch einige Prozesse geführt und nicht gewonnen, zumal nach gegebener Rechtsprechung der Entwurf auf einem Grundstück, den ein anderer Eigentümer erwirbt, nicht zu honorieren ist, wenn andere Planungsabsichten bestehen, was jedoch nicht der Fall war. Ich möchte aber hier den Beweis antreten, daß alles was auf den Grundstücken gebaut wurde, eigentlich auf “meinem Mist” gewachsen ist, und verweise auf das Exposé vom 18.2.2002. Der hier mit wenigen Zeichnungen aufgezeigte Entwurf entsprach nicht mehr dem Entwurf des Kolpinghauses, da er von höherer Stelle nicht mehr gewollt war. Er zeigt einen Entwurf von vielen, die alle nicht realisiert werden konnten, es hier sogar zu einer Baugenehmigung kam. Mit der Landmarks-Projektentwicklungsgruppe gab es Gespräche mit einer Tunesischen Hotelgruppe, wobei in Tunis sogar schon über die Ausstattung gesprochen wurde. Da aber auch hier ein Rückzug erfolgte, stand die Bezahlung der Baugenehmigung mit allen Befreiungen in Höhe von 40.000,- € an, die nicht erfolgte. Hätte ich sie bezahlt, wäre ich mit dem Projekt weitergekommen.

Nochmals zurück zum Bau des Kolpinghauses auf dem Grundstück Mühlenstraße 61, neben dem geplanten Spreefenster Mühlenstraße 68. Seit 1997 lief das Bebauungsverfahren I-74-1. Nach Festsetzung gab es den positiven Vorbescheid vom 08.03.2001 mit der Nummer 32/01, mit dem der Bebauung zugestimmt wurde. Geplant und vereinbart wurde zwischen mir und den 3 Grundstückseigentümern  Kolpingwerk, Haniel und die Nicolaischen Erben an den Londoner Geschäftsmann Alon Mekel zu verkaufen. Das Problem begann, als die Nicolaischen Erben aus der Vereinbarung, womöglich aus Geldgier, ausschieden und an den Geschäftsmann Mark Uwe Hinkel verkauften. Sie beauftragten den Architekten Serge Tschoban, der das Hochhaus „Living Level“ entwarf und baute, was auch gut gelungen ist.

Herr Hemker von der Fa. Haniel brach alle Zusagen an mich und beauftragte die Architekten Eller und Eller, die den Längsbaukörper planten und noch bauen. Anlässlich einer Stadtrundfahrt durch Berlin zu Ostern 2021 konnte ich feststellen, dass der Rohbau immer noch eingerüstet ist, und das Objekt nicht vor Ende 2021 bezugsfertig sein wird. Dem sich anschließenden Bildbericht des Tagesspiegels vom 29.8.2017 ist zu entnehmen, dass Alon Mekel bei dem Projekt auch nicht zum Zuge kam. Es sind folglich 20 Jahre vergangen, bis das was ich geplant hatte, wenn auch mit anderen Grundrissen und veränderter Gestaltung, entstehen konnte.

Kauferlöse haben durch meine Initiative und Planung das Kolpingwerk 1,7 Mio €, die Fa. Haniel 3,0 Mio € und die Nicolaischen Erben 1,3 Mio € erzielt. Meine Vergütung als Provision lag bei 1%, d.h. ich habe 100.000 € bei dem Geschäft verdient. Dafür habe ich mit teilweise 3 Mitarbeitern 6 Jahre lang an dem Projekt gearbeitet und auch Statiker und Projektingenieure nicht bezahlen können.

Expose
Planung eines Neubaukomplexes als Hotel und Boardinghaus mit Konferenzbereich am Rummelsburger Platz in 10243 Berlin-Friedrichshain, Mühlenstraße 60-63 / Ecke Brommystr. 
Vorab benannt als East-Side-Hotel mit 394 Zimmern und East-Side-Boarding mit 194 Wohneinheiten an der denkmalgeschützten East-Side-Gallery
Bauherr: Kolpinghaus Berlin e.V.
Baukosten: geschätzt ca. 86 Mio DM
Baubeginn: nach Grundstücksrückkauf der sog. Mauergrundstücke

Noch einmal habe ich versucht, mit einem Kolpinghausentwurf in Berlin-Friedrichshain, Mühsamstraße Ecke Petersburger Straße den Vorstand zu überzeugen, dass auch an dieser Stelle das Kolpingwerk sich mit seinen Idealen in Berlin präsentieren könnte, jedoch vergeblich. Ich habe mich nicht von den Idealen des Kolpingwerks, sondern von ihren Vertretern in Berlin und in Köln distanziert und mich zurückgezogen. Da wir keine Kinder hatten aber ein gut gehendes Büro mit guten Mitarbeitern, war es uns möglich viel und fern zu reisen und dabei fast die ganze Welt kennenzulernen. Anlässlich eines Katholikentages in Berlin, vor ca. 40 Jahren, sprach mich der Pfarrer Bernhard Ruhnau, der in Afrika als Missionar lebte, an ob ich einmal einen Urlaub für den „Lieben Gott“ opfern könnte. Ich stimmte zu und reiste mit meiner Frau und meinem Freund Reiner Bischoff nach Kenia über Mombasa und Nairobi, wo unser Campmobil für die abenteuerliche Fahrt erst technisch auf Vordermann gebracht werden musste und über Kakuma und Lodwar in die Trockensteppe der Turkana, wo die Menschen ohne jegliche Zivilisation lebten, wie Gott sie schuf. Es waren Nomaden, die mit ihren Ziegen von Weideland zu Weideland zogen und in Laubhütten schliefen. Der Missionar sprach mit Ihnen nicht nur über Gott, sondern über die praktischen Dinge, die ihr schweres Leben verbessern könnten. Er wollte eine zentrale Anlaufstelle schaffen, wo er sie unterrichten und im Krankheitsfall behandeln und im Notfall auch mit Essen versorgen konnte. Dazu brauchte er mich, denn der Baustoff aus Lehm war in Fülle vorhanden. Ich plante folglich eine Anzahl diverser Gebäude mit unterschiedlichen Funktionen, unter anderem auch eine Kirche. Von dort brachte ich Lehmproben mit, um sie an der TU-Berlin untersuchen zu lassen, mit welchen Zuschlagstoffen die Zugfestigkeit des Lehmziegels zu erreichen war. Ich fand auch einen deutschen Maurer, der dort 6 Monate lang die Leute anlernte und auch einiges fertigstellen konnte. Aber alles was dann stand, zerfiel, weil die Turkanas als Nomaden das Angebot nicht annahmen und weiterzogen. Ich hielt danach in mehreren Kirchengemeinden Vorträge über die Turkana und das Leben dieser Menschen, sammelte Geld und konnte dem Missionar 40.000 DM für seine Arbeit vor Ort überweisen.

Nun aber muss ich meinen Bericht beenden, aber nicht bevor ich noch über Dinge berichte, wie meine Arbeit als Rentner nach Aufgabe meines Büros weiterging, denn ich kündigte weder meine Mitgliedschaft im BDA noch in der Architektenkammer. Norbert Alexander ein Freund rief mich an und erklärte, dass seine Frau ein Grundstück im Johannisthal in der Weststraße 7 geerbt hat und es gerne bebauen möchte. Die Weststraße liegt in einem denkmalgeschützten Bereich, wo in den Jahren 1910 bis 1920 berühmte Architekten eine Wohnsiedlung geschaffen haben, mit langen schmalen Grundstücken, auf denen nicht sehr betuchten Eigentümern Nebenerwerb durch Kleintierhaltung ermöglicht wurde. Aber auch mit größeren Grundstücken über 500 m² in der Weststraße 1-16 mit Hanglage und unverbaubarem Blick auf die Königsheide. Hier wurden im Krieg durch eine Luftmiene, die in der Königsheide explodierte, drei Doppelhaushälften, Weststraße 5 bis 10 völlig zerstört, die Ruinen abgetragen, jedoch die Keller im Erdreich, bzw. im Hang belassen. Die Baugenehmigung für die Weststr. 7 wurde erteilt, da ich den Neubau der Einfamilien-Doppelhaushälfte absprachegemäß den Altbauten in der Höhe und der Bautiefe, der Dachneigung und der Dachdeckung angepasst habe. Die Gebäudebreite vergrößerte sich um 2 Meter, da die Altbebauung zwischen den zweigeschossigen Doppelhäusern ein eingeschossiges Zwischengebäude als Wohnzimmers aufwies, das nunmehr durch meine Planung jeweils durch eine Garage von 3 m Breite ersetzt wurde. Auf den Fassadenschmuck wie Klinkermauerwerk als Sockel, Traufe oder Gesimse wurde aus Kostengründen verzichtet. Fensterläden sollten durch beidseitig an den Fenstern angeordneten Klappläden angedeutet werden. Nachdem die Baugenehmigung für die Nr. 7 erteilt war und mit dem Bau begonnen wurde, meldeten sich die meisten der weiteren Anlieger, denn ihre Grundstücke hatten nunmehr einen Verkaufswert von mindestens 150.000 €. Die Nr. 5 wurde nicht an mich, sondern an einen anderen Bauherrn verkauft. Dieser wollte keinen Keller bauen, obwohl ich versuchte, ihm klarzumachen, dass nach Abriss der Kellerräume ohnehin der Platz für den neuen Keller gegeben ist und eine Aufschüttung Probleme bereiten kann, wenn die geplante Stilllegung des Wasserwerks Johannisthal erfolgt, somit der Grundwasserspiegel steigt und es durch eine Nachverdichtung der Aufschüttung zu Bauschäden kommen könnte, weil beim Bau des Kellers der Nr. 7 bereits WU-Beton zur Ausführung gelangte. Es half nichts – Er beauftragte eine Fertigbaufirma, der ich kostenlos meine Planung zur Verfügung stellte, damit sich das neue Gebäude auch meiner Gesamtplanung anpasst. Die Nr. 6 kam mit meiner Planung zu mir, da sie angeblich von einer westdeutschen Eigentümerin mitgekauft wurde. Ich hatte mit dem Bauherrn große Probleme. Im Interesse der Gesamtlösung erwarb ich jedoch die Baugenehmigung, für ein Honorar von 5.000 €.  Dieser Bauherr beauftragte darauf einen befreundeten Architekten der umplante, unter anderem mit Dachüberstand und anderer Dachneigung und Fenstergestaltung. Die Bauaufsicht reagierte darauf nicht, obwohl ich sie auf den Umstand hinwies. Ich wendete mich darauf an den Baustadtrat und es musste zurückgebaut werden, aber nicht bei allen Details. Hinzu kam, dass sich die Baufirma bei den Fenstern, sowohl im Bereich der Brüstung und des Sturzes vermessen hat als Folge der falschen Höhe der Deckenkonstruktion. Nun gibt es bei einem Doppelhaus Fensterfronten, bei denen die Brüstung und Sturzhöhen um 25cm variieren. Das kümmert weder Bauaufsicht, Stadtplanung und am allerwenigsten die untere Denkmalbehörde des Bezirks Treptow-Köpenick. Am schlimmsten ist, dass die von mir vorgegebene mit der Denkmalbehörde abgesprochene Farbgebung der Fassaden nicht eingehalten wurde. Die Nr. 5 wurde in der Farbe weinrot und die der Nr. 6 kanariengelb gestrichen. Obwohl in der Baubeschreibung Klappläden an den Fenstern vorgesehen sind und diese eigentlich zur Baugenehmigung gehören, wurden bisher bei keinem der gebauten Objekte Klappläden angebracht, auch wenn sie lediglich der Optik dienen sollten. Mit dem Eigentümer der Nr. 10 aus München, ehemals Berliner, hatte ich guten Kontakt. Als er starb fanden seine Erben meinen Schriftverkehr mit ihm und boten mir das Grundstück zum Kauf an. Ich kaufte es und erwarb die 3. Baugenehmigung und verkaufte es weiter an ein junges Ehepaar, deren Vater bzw. Schwiegervater Leiter der Hochbauabteilung einer großen Baufirma ist und zugleich in der Nähe der Baustelle wohnt. Er bat mich, selber die weitere Bauleitung zu übernehmen. Ich stimmte zu, nachdem der Abriß der Ruine erfolgte und die Baugrube fertiggestellt war. Nun kann man gespannt sein, ob und wie sich das neue Gebäude meiner versuchten Planung einer denkmalgerechten Sanierung der Wohnanlage anpasst.

Weststraße

Nach meiner letzten Besichtigung der Baustelle konnte ich feststellen, daß der Bau der Weststraße 10 zu meiner Zufriedenheit erfolgt ist, was das untenstehende Foto von der Weststraße 10 beweist.


Nach dem katastrophalen Ergebnis der Fassadengestaltung der beiden Häuser Weststraße 5 und 6, wo man sich nicht an die Baugenehmigung gehalten hat, gibt es noch Hoffnung, daß bei der Weststraße 7, nach Anbringen der Fensterklappläden das gleiche von mir geplante Fassadenbild, wie bei der zuletzt fertiggestellten Fassade der Weststraße 10 entsteht.

Anschließend sei gesagt, dass es das erste Mal in meiner Karriere ist, dass ein von mir geplantes Gebäude nicht durch eigene Bauleitung fertiggestellt wurde, was bei fast allen in der Folge Dargestellten von mir über 100 geplanten Bauvorhaben der Fall war und nachdem ich glaubte, das erste Mal in der Weststraße Geld zu verdient zu haben, feststellen musste, dass das Finanzamt von mir die Spekulationssteuern forderte, dass letzten Endes nicht mehr viel übrigblieb. In der Folge erlauben Sie mir, Fotos meiner in den Jahren 1967-1998 fertiggestellten Bauvorhaben vorzustellen.

Abschließend sei gesagt, dass man wie in jedem anderen selbstständigen Beruf Beziehungen braucht. So erging es mir bereits beim Kauf meines Grundstücks von meinen ehemaligen Bauherrn, der den seinerzeitigen Leiter der Bauaufsicht nach einem Architekten für die Planung seines Einfamilienhauses fragte, in dem wir, meine Frau und ich bereits seit 49 Jahren wohnen. Einige meiner Kommilitonen studierten weiter, machten das zweite Staatsexamen, wurden Baudirektoren und Leiter von Hochbauämtern in diversen Stadtbezirken. So unter anderem auch Dr. Fritz Monke, später leitender Baudirektor im Bezirk Charlottenburg und Köpenick. Er holte mich in seine Behörde, um dort kurzfristig Standardtexte für die Ausschreibung sämtlicher Bauhauptgewerke zu entwickeln, die in Lochstreifenverfahren gespeichert wurden und als Vorlage für seine Mitarbeiter nur kurzzeitig dienten, denn danach gab es den Computer. Ich durfte das Poststadion, das denkmalgeschützt ist, teilweise sanieren, indem ich sämtliche Sanitärbereiche, Sportunterkünfte, Mannschafts- und Trainingsräume quasi unter die Erde brachte, denn die dem Stadiongebäude vorgelagerte, dem Stadion zugewandte Terrasse wurde abgerissen, bebaut und danach wieder als solche hergestellt. Ich hatte bereits erwähnt, dass er mir die Bauleitung für den Bau der Mierendorff-Schule mit angegliederter Sporthalle und einem Dachkindergarten in der Nordhauser Straße übertrug, hatte jedoch vergessen zu berichten, dass auch der Abriss der alten Mierendorff-Schule, einem stilvoll gebauten gelben Klinker-Bau am Mierendorffplatz dazu gehörte. Um das zu verhindern, landete ich den Coup meines Lebens. Ich richtete ein Kaufangebot für das Gebäude mit zielgerichteter Neunutzung an den Baustadtrat Körting mit Kopie an den Bausenator Schwedler oder Ristock, was bewirkte, dass man den Wert des Gebäudes erkannte und der Abriss des Gebäudes somit verhindert werden konnte. Heute gastiert in dem Gebäude eine Musikschule.

Eine Anekdote am Rande – Die BZ (Berliner Zeitung) berichtete damals in großer Aufmachung „Architekt baut Schule auf Bombe“, was bewirkte, dass gezielt nach ihr gesucht und auch gefunden wurde – sie aber glücklicherweise funktionslos war. Ein Anwohner hatte wohl den Bombeneinschlag beobachtet.   Gute Beziehungen pflegte ich auch zum Landessportamt und zu den Hochbauämtern Neukölln, Steglitz, Reinickendorf und Spandau. Die gezeigten Fotos sind ein Großteil meiner weit über 100 errichteten Bauvorhaben in Berlin und Umland, sowie in Westdeutschland.

Nach den enormen finanziellen Verlusten, die ich bei meinem Großprojekt Mühlenstraße erlitten hatte, nahm ich einen Kredit in Höhe von 200.000 € auf, dessen Laufzeit zwei Jahre betrug. Danach und wegen meines fortgeschrittenen Alters ergaben sich keine weiteren Finanzierungsmöglichkeiten und meine Einnahmen als Architekt reichten nicht aus, um weiterhin ein sorgenfreies Leben zu führen. Ich hörte von einem neuen Projekt „Haus & Rente“ und interessierte mich dafür. Durch den erfolgten Verkauf meines Hauses erlangten meine Frau und ich ein lebenslanges Wohnrecht, abgesichert durch ein notariell beurkundetes Nießbrauchrecht, d.h. wir bleiben bis zu unserem Tod quasi Eigentümer der Liegenschaft, aber auch mit allen dazugehörigen Konsequenzen. Gekauft hat das Objekt ein vermögendes, älteres Ehepaar mit Kindern, die jedoch ein eigenes Haus bewohnen, aber die Möglichkeit haben, es eines ihrer Kinder zu überlassen.

Zum Schluss noch ein Beispiel: 1970 habe ich ein 5-geschossiges Mietshaus mit 10 Wohnungen in der Fritz-Reuter-Str. 11 in Schöneberg erworben, umgebaut und saniert.

Der größte Fehler meines Lebens war, aus Arbeitsüberlastung und daraus folgend, eine Hausverwaltung einzuschalten, das Haus für 500.000 € zu verkaufen. Schon ein Jahr später kam ein neuer Käufer des Hauses zu mir und wollte Pläne haben, um das Dachgeschoss auszubauen. Ich fragte ihn, was er für das Haus gezahlt hat. Es waren bereits 1.000.000 € und heute würde man für das Objekt mindestens 3.000.000 € bekommen.

Trotzdem kann ich auf ein gesundes, glückliches und auch erfolgreiches Leben zurückblicken und sage „Gott sei Dank“!

Anekdote Laubenpaule

Während des Studiums habe ich mit meinem damaligen Freund und Kommilitonen Klaus Luther in einer Kolonie im Grunewald Lauben gemauert und mit Dachstuhl schlüsselfertig übergeben. Als Dr. Monke eines Abends in unser Seminar kam, hatten wir feuchtfröhlich einen Fackelzug durchs Gebäude veranstaltet unter dem Motto:  “Sonne, Mond und Sterne”. Dabei verbrannten wir von Dr. Monke gefertigte Stäbe aus Kunststoff, die er für die Anfertigung von städtebaulichen Modellen benötigte.  Erst freute er sich über uns, bis er merkte, daß es sein Modellbaumaterial war und ich derjenige war, der herausfand, daß es brennbar ist. Er beschimpfte mich mit  “Du verdammter Laubenpaule”. Diesen Spitznamen wurde ich nicht mehr los. Selbst die Assistenten und der Professor Dübbers nannten mich so.  Mein langjähriger Studienfreund “Atze” Bergmann, der mit Vornamen eigentlich “Ernst” heißt, nennt mich heute noch “Paule”.

Noch einige Schlussbemerkungen zu meiner Familie. Nach dem Krieg besuchte ich mit meiner Mutter und meiner Frau die alte Heimat meiner Eltern in Oberschlesien. Wir fuhren über Breslau nach Ratibor, wo mein Vater geboren wurde. Er hatte 3 Brüder, den Carl (Reichsbahnrat), den Alfred (Bankdirektor) der aufgrund seiner Fremdsprachkenntnisse vom Kriegsdienst freigestellt war, um für die Nazis Rüstungsgeschäfte mit dem neutralen Ausland abschließen zu können, und den Eduard (Justizbeamter wie mein Großvater). Bis auf den Alfred, der auch in Berlin wohnte, kümmerte sich keiner der Brüder nach dem Tod meines Vaters um meine Mutter mit uns kleinen Kindern. Als meine Mutter seine Familie besuchte (mit 3 Töchtern und einem Sohn) wir waren 3 Söhne und eine Tochter, hörte ich durch die Tür die Stimme meines Onkels an seine Frau “Hetha, pack den Kuchen weg, die Hertha steht mit ihren Kindern vor der Tür”. Es war im Jahr 1946.

Zurück zu unserer Reise: Wir fuhren weiter nach Michowitz bei Kattowitz wo meine Mutter geboren wurde, nach Gleiwitz, Oppeln und Cosel, wo wir in der Ferienwohnung des Bruders meiner Mutter wohnten, aus der wir 1945 flüchteten. Hier versuchten wir noch unsere vergrabenen Wertgegenstände, die wir vor den Russen schützen wollten, wiederzufinden. Schließlich besuchten wir auch Beuthen, um das Schloß aufzusuchen, wo wir so oft unsere Ferien verbracht hatten. Das Schloß wurde im Krieg total zerstört und abgerissen. In der Zeit, wo wir dort unsere Ferien verbrachten, spukte es in der Nacht im Schloß und es wurde von einigen Bewohnern bestätigt, denn viele erlebten die sogenannte “weiße Frau” die durch Wände hindurch laufen konnte. Ich fuhr mit meinem BMW 2000 über das weitläufige Gelände, wo noch einige Trümmerteile verstreut lagen, und machte mich über die sogenannte “weiße Frau” lustig. Bei dem danach erfolgten Spaziergang fand ich ein rotes Propellerchen aus Plastik, da sicherlich ein Kind hier sein Spielzeug verloren hatte. Auf der Rückfahrt auf der Autobahn kochte das Kühlwasser des Motors meines Autos, sodaß wir fluchtartig unter Nebelschwaden das Fahrzeug verlassen mussten und ich merkte bald, daß das angebliche Kinderspielzeug der Propeller meiner Motorkühlanlage war. Mir schwante, das es der Fluch der “weißen Frau” war, obwohl ich immer noch nicht daran glaubte und es eher meinem Fahrverhalten auf dem Trümmergrundstück zu verdanken war. Das fahruntüchtige Fahrzeug wurde durch einen netten Berliner Autofahrer, der angehalten hat, wieder nach Hause geschleppt, was dabei zu einigen Problemen durch ausgefallene Lenk- und Bremskraftunterstützung und die vorhandenen Grenzkontrollen führten.

Ingrid & Manfred Hantke 2020

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